23.-24.3.2016 Reiteralm – Hirscheck

Susi, Julian, Jürgen, Chris und ich treffen uns an einem Mittwoch um 8 Uhr an der Wehrtechnischen Dienststelle 52 der Bundeswehr in Oberjettenberg. Bei der Wache melden wir uns an. Daraufhin öffnet sich ein Tor und wir fahren in den militärischen Sicherheitsbereich. Nach einem freundlichen Gespräch mit dem Leiter des Seilbahnbetriebs laden wir unser Gepäck in die Gondel. Diese bringt uns vorbei an den gewaltigen Felswänden der Seilbahn auf den Wartsteinkopf, direkt aufs Plateau. Oben warten ein paar niederländische Soldaten, die gerade eine Winterkampfausbildung hinter sich haben, auf die Talfahrt. Die Atmosphäre ("Brandbekämpfungsgerät", nicht "Feuerlöscher") läßt mich wehmütig an meine Zeit beim Hochgebirgsjägerzug in Bad Reichenhall zurückdenken. Dann fährt auch noch ein Hägglund vorbei und es ist ganz aus mit mir… was für eine Freude war das damals, mit diesem Fahrzeug in tiefem Pulverschnee durch unberührte Winterlandschaft zu heizen…

Die Schneebedingungen sind prächtig. Durchgehend mindestens 1m stark verfestigter Altschnee sorgen für mühelose Bewegung durchs Gelände. Keine Wühlerei durch endlose Latschenfelder mit 30cm Sichtweite, sondern hindernisfreie Übersicht. Nur wenige Zweige ragen hier und da aus dem Schnee. Ein Loch nach dem anderen zeigt sich uns, alle freigeblasen. Schnell wird uns klar, daß Höhlensuche hier im Winter um Welten einfacher ist als im Sommer. Die anderen sind mit Schneeschuhen unterwegs, ich mit Tourenski. Beides funktioniert wunderbar.

Nach einer halben Stunde erreichen wir das südliche Mäusehüttchen, wo wir alles deponieren, was wir für die Höhlen nicht brauchen. Von dort gehen wir Richtung Dülferschacht, entdecken aber auf dem Weg einen weiteren Schacht, den Wurzelbankerlschacht, den wir sogleich vermessen. Ganglänge 52m, Tiefe ca. 35m. Das Seil reicht nicht bis hinunter. Chris quetscht sich in einen seitlichen Spalt einige Meter über dem Grund, um sich vom Seil trennen zu können, damit ich nachkommen kann. Man sieht leider deutlich, daß der Schacht endet.

Da wir nur ein 40m-Seil dabei haben, eine Aufteilung in 2 Teams, jeweils mit Seil, aber sinnvoll erscheint, gehen Susi, Julian und Jürgen, später Chris und ich zu der Stelle, wo zuletzt ein Materialdepot war. Leider findet niemand von uns etwas, bei der Schneelage aber nicht ganz verwunderlich. Ich bin mir bei der Stelle nicht mehr sicher, es schaut ja auch anders aus als im Sommer. Wir graben ein wenig im Schnee, finden aber nichts. Auf dem Hin- und Rückweg gehen wir Umwege kreuz und quer und nehmen Koordinaten von verschiedenen weiteren Eingängen auf, u.a. an den Wänden der größten Doline weit und breit, gut sichtbar auf Luftbildern.

Auf dem Rückweg machen wir einen Bogen bis zum Rand des Plateaus, wo wir die Krakenruine finden. Wir steigen hinab, kein Seil nötig, und vermessen. Das Objekt hat knapp Höhlencharakter, ein nettes Versteck mit 2 Eingängen und einem Lichtfenster Richtung Wand. Zu unserer Überraschung sehen wir innen drin zwei rote Meßpunkte. Derweil war ich schon im Zweifel, ob eine Vermessung hier lohnt. Im Kataster gibt es keine Koordinaten davon. Daheim sollte sich herausstellen, daß Thomas dies erst kürzlich vermessen hatte.

Susi, Julian und Jürgen schauen zum 3x10-Schacht, den Thomas letztes Jahr entdeckt hatte, und stellen fest, daß er tiefer ist, als gedacht, ein gewaltiger bodenloser Abgrund, ähnlich dem noch zu erforschendem Gierschlund oder der Abgründigkeit. Auch bauen sie derweil den Dülferschacht ein und befahren ihn bis zum Ende. Wir vermessen ihn noch, 16m tief, 23m Ganglänge. Naja, wieder eins abgehakt. Langsam wird es dunkler, wir gehen zurück zum Mäusehüttchen. Zu fünft passen wir haargenau alle nebeneinander rein, sodaß die Tür noch zugeht. Kopf und Füße stehen an den Wänden an. Durch unsere Anwesenheit steigt die Temperatur um wenige Grade, bleibt aber unter Null, da die Wände ein paar Löcher haben. Bevor wir schlafen gehen, bereitet uns Jürgen noch ein lukullisches Abendmahl aus Asia-Fertignudelsuppen, frischem Knoblauch und Kokosmilch.

Am Donnerstag schlafen wir aus und frühstücken in Ruhe. Die Nacht hat 10cm Neuschnee gebracht, ein schönes Bild und immer noch angenehm zum Gehen. Unser Ziel sind am Vortag entdeckte Objekte. Da die letzte Seilbahn bereits um 15:40 Uhr geht, bleibt uns nicht viel Zeit. Daher konzentrieren wir uns auf ein Objekt, um auf jeden Fall auch an diesem Tag ein konkretes Ergebnis zustande zu bringen: Der Zwischenbaumschacht, knapp 40m Tief, das Seil reicht haargenau. Keine Seitenarme, keine Zwischenstufen, einfach ein tiefes Loch, in das man nicht fallen sollte, mit schöner Eisglasur und harmonischer Form. Ein weiterer Sektor in der Nähe wird erkundet, ein paar Koordinaten aufgenommen, dann müssen wir zurück, sammeln unsere Sachen ein und marschieren schwer bepackt zur Seilbahn. Mit einem sehr netten Seilbahnmitarbeiter und dem Hüttenwirt vom Lenzenkaser fahren wir wieder ins Tal. Wir erfahren, daß in den 80er Jahren viel öfter Höhlenforscher unterwegs waren. Leider kennt niemand von uns jemanden von denen persönlich.

Die Unternehmung war für uns alle etwas Neues. Es hat sich sehr gelohnt, im Sommer hätte man kaum mehr finden und vermessen können. Alles hat perfekt geklappt, nur mehr Seil wäre gut gewesen. Die vielen neu gefundenen und dokumentierten Objekte und nicht zuletzt die grandiose, menschenleere Winterlandschaft werden diese Aktion nicht die letzte ihrer Art bleiben lassen.